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HYPOTHEKEN: Kalkuliertes Risiko
 
  Handelsblatt - DO, 27. DEZ 2007
Kommentar & Analyse Jahrelang erlebten die USA einen fast beispiellosen Immobilienboom. Angefangen hat alles 2001 mit fallenden Zinsen und niedrigen Immobilienpreisen.

Bald schien es für jeden Amerikaner möglich, den Traum vom eigenen Haus auf Pump zu verwirklichen. Rund 70 Prozent der US-Bürger besitzen mittlerweile Häuser.

Mit der anziehenden Nachfrage gingen auch die Hauspreise nach oben. Studien zufolge sind die Eigenheimpreise in den USA zwischen 1996 und 2006 real um 86 Prozent gestiegen. Trotz steigender Hauspreise konnten sich die Amerikaner den Immobilienkauf leisten, weil die Zinsen niedrig und Kredite einfach zu bekommen waren.

Dazu kam: Schulden zu haben versetzt die meisten Amerikaner erst einmal nicht grundsätzlich in Sorge. Zur Hypothek für das Haus kam meist noch eine Finanzierung für das Auto, eine überzogene Kreditkarte oder ein Konsumentenkredit. Und wenn der Wert des Hauses wieder einmal gestiegen war, sahen viele Eigenheimbesitzer dies als willkommene Gelegenheit, die Hypothek auf das Haus noch einmal zu erhöhen - und sich von diesem Geld einen schönen Urlaub zu gönnen.

Solange die Hauspreise steigen, ist ein finanziertes Gebäude bald mehr wert als der Preis, den der Schuldner dafür bezahlen musste - und der Kredit ist bequem abgesichert. Kann ein Schuldner die Zinszahlungen nicht mehr aufbringen, etwa weil er arbeitslos wird, kann er das Haus immerhin noch zu einem guten Preis verkaufen.

SUBPRIME: Ausgereiztes Risiko

Weil sich am Geschäft mit den Immobiliendarlehen jahrelang hervorragend verdienen lie� und die Häuserpreise ständig stiegen, wurden die Kreditgeber bei der Suche nach Neugeschäft zunehmend leichtsinnig. Auch Kunden mit ganz schwacher Bonität, die sogenannten Subprime- Kunden, bekamen Hypotheken. Eigenkapital wurde meist nicht verlangt, und die Zinsen waren anfangs niedrig, um die Kunden zu ködern.

Der Haken dabei: Feste Zinsbindungen auf zehn oder sogar 15 Jahre, wie in Deutschland üblich, gab es in der Regel nicht. Nach wenigen Jahren wurden die Zinsen variabel - und stiegen dramatisch an.

Weil zugleich auch die Hauspreise fielen, konnten viele Schuldner die Zinslasten nicht mehr tragen. Im dritten Quartal dieses Jahres waren in den USA 5,6 Prozent aller Hypothekendarlehen notleidend. Dies gab es zuletzt während der Immobilienkrise Mitte der 80er-Jahre.

ABS: Verschobenes Risiko

Viele Banken jedoch haben die Risiken aus den wackeligen Hypothekenkrediten längst weitergereicht. Dazu haben sie die Forderungen verbrieft.

Diese verbrieften Anleihen nennen Fachleute Asset Backed Securities (ABS). Dabei gliedern Banken Forderungen aus ihrer Bilanz aus und übertragen sie auf eine Zweckgesellschaft. Diese Gesellschaft begibt dann Anleihen, die mit diesen Forderungen unterlegt sind. Als Sicherheit für die Anleihen bietet sich alles an, was regelmä�ig Einnahmen bringt, also neben Autofinanzierungen oder Konsumentenkrediten auch die Hypothekenkredite.

Die ABS werden in Tranchen geteilt. Fallen die zugrunde liegenden Forderungen aus, sind zuerst nur die bonitätsschwachen Tranchen betroffen. Diese werden für das höhere Risiko aber auch mit höheren Renditen entschädigt.

Der Markt für ABS explodierte in den vergangenen Jahren. Allein im ersten Halbjahr 2007 wurden ABS im Wert von 1,4 Billionen Dollar ausgegeben.

CDO: Verstecktes Risiko

Doch die Kreativität bei der Konstruktion von Finanzprodukten war mit den ABS noch nicht ausgereizt. Die verbrieften Subprime-Darlehen wurden mit anderen Anleihen und Krediten gebündelt und in ¿Collateralized Debt Obligations¿ (CDO) umverpackt. Diese Zweckgesellschaften wiederum verkaufen Schuldverschreibungen an Investoren.

Auch hier sind die Schuldverschreibungen nach Bonitätsklassen sortiert. Nach Schätzungen sind Papiere im Wert von 900 Mrd. Dollar allein in den USA in solchen CDOs verpackt.

Das Problem: Für den Investor ist schlie�lich nicht mehr erkennbar, welche Risiken ursprünglich verbrieft wurden. Ratingagenturen hatten angenommen, dass sich die Risiken innerhalb eines CDO gegenseitig ausbalancieren, weil nie alle Kredite gleichzeitig ausfallen - und deshalb gute Ratings für die CDOs vergeben. Ein fataler Fehler, wie sich heute zeigt - mit dramatischen Folgen für die komplexe Maschinerie der internationalen Finanzmärkte...

GELDMARKT: Das groÃ?e Misstrauen

Mit spektakulären konzertierten Aktionen, aber auch mit stillen Interventionen hinter den Kulissen versuchen die gro�en Notenbanken der Welt seit Monaten, den Geldmarkt zu stützen. Doch sowohl Zinssenkungen als auch Liquiditätsspritzen haben es nicht geschafft, die langfristigen Zinsen von ihren Rekordhöhen herunterzulocken.

Das Grundproblem: Die Liquidität wäre zwar da, doch die Banken trauen sich gegenseitig nicht über den Weg und zögern deshalb, sich gegenseitig Geld zu leihen. Das treibt die Geldmarktzinsen in die Höhe. Ein gutes Ma� für die Risikoprämie, die Banken verlangen, wenn sie sich untereinander Kredit geben, ist die Differenz zwischen dem Dreimonats- Dollarlibor und der Rendite von dreimonatigen US-Schatzwechseln. Und dieser sogenannte Spread ist seit Ausbruch der Krise dramatisch gestiegen.

Hintergrund ist auch hier die weltweite Finanzkrise. Denn solange die gro�en Geschäftsbanken keine Abschlussbilanzen für das Geschäftsjahr 2007 vorgelegt haben, so lange ist nicht klar, welche Zeitbomben sich noch in ihrem Portfolio verbergen - und welche zusätzlichen Abschreibungen in Milliardenhöhe noch drohen. Bisher warten UBS, Citigroup und Co. fast täglich mit neuen Hiobsbotschaften auf.

DEVISENMARKT: Flucht aus dem Dollar

Nur eins ist seit Ausbruch der Krise am amerikanischen Hypothekenmarkt wirklich sicher: Der Dollar bleibt im Abwärtstrend. Der wichtigste Grund dafür, dass diese Schwäche anhält, ist der schwindende Zinsvorsprung der USA. Denn sinkende Zinsen in den USA machen die Anlage in Dollar weniger attraktiv.

�ndern wird sich daran mittelfristig kaum etwas. Während die US-Notenbank den Leitzins auf 4,25 Prozent gesenkt hat, hält die Europäische Zentralbank den Satz konstant. Darin drückt sich auch das veränderte Kräfteverhältnis zwischen den USA und Europa aus. Während die US-Wirtschaft in eine Rezession zu rutschen droht, sehen Volkswirte in Europa weiter ein solides Wachstum. Als erste Investmentbank gab Morgan Stanley eine Rezessionswarnung für die USA heraus. Die �konomen der Bank erwarten, dass die Wirtschaft im laufenden Quartal und den ersten drei Quartalen 2008 leicht schrumpfen werde.

Zwar wiederholt der amerikanische Finanzminister Henry Paulson gerne sein Mantra, dass ein starker Dollar im US-Interesse liege. Doch in Wahrheit profitiert die amerikanische Wirtschaft erheblich von der Abwertung der Währung. Denn eine schwache Währung verbilligt die Ausfuhren und stützt damit die Exportwirtschaft.

AKTIENMARKT: Abwartende Anleger

Fast kopfschüttelnd verfolgen viele Experten seit Wochen die Aktienmärkte. Krisenszenarien aller Orten, doch die Anleger zeigen sich davon wenig beeindruckt. Der Deutsche Aktienindex beispielsweise wagte sich gleich mehrfach in die Nähe seines Allzeithochs - auch wenn er vor dem gro�en Sprung zurückschreckt.

Gebeutelt sind jedoch die Bankaktien. Egal ob ein Institut von Milliardenverlusten betroffen ist, oder sich rechtzeitig winterfest gemacht hat - für die Branche gilt Sippenhaft. Beispiel Deutsche Bank: Bisher ist der deutsche Marktführer recht komfortabel durch die Turbulenzen gekommen. Trotzdem stürzte die Aktie von ihrem Jahreshöchststand von mehr als 110 Euro auf zeitweise unter 85 Euro ab.

Schuld an der Abstrafung der gesamten Branche ist nicht zuletzt die Salamitaktik, mit der viele Institute ihre Probleme offengelegt haben. Die Chefs von US-Banken wie Citigroup und Merrill Lynch hat die mangelhafte Bewältigung der Krise bereits den Job gekostet. Bevor die Anleger wieder zu Bankaktien greifen, warten sie ab, welche Institute wirklich gut durch die wohl grö�te Herausforderung der Branche gekommen sind.

 
 
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